3. Sonntag im JKB
Die Lesungen an diesem Sonntag stammen aus Jona 3,1-5,10; 1 Kor 7,29-31; Mark 1,14-20.
Im Zentrum der Lesungen an diesem Sonntag steht der Ruf Jesu zur Umkehr. Damit steht Jesus zu 100 % in der Tradition der alten Propheten, wie wir am Beispiel des Jona in der ersten Lesung sehen. Ein Prophet ist keiner, der primär die Zukunft voraussagt (auch wenn er dies manchmal tut), sondern einer, der das Wort Gottes verkündet und die Menschen lehrt, es zu befolgen. Gott, der die Liebe ist, sendet seine Propheten aus einem einzigen Grund: Er will nicht, dass wir in unserer Sünde zugrunde gehen und sterben. „Noch vierzig Tage und Ninive ist zerstört!“, ruft Jonah den Niniviten zu. Ohne jegliche Erklärung verstehen sie, dass dieses Unheil aufgrund ihrer Sünde über sie hereinbrechen wird. „Sie glaubten Gott, riefen ein Fasten aus und alle, Große und Klein, zogen Bußgewändern an. Und Gott sah ihr Verhalten; er sah, dass sie umkehrten und sich von ihren bösen Tagen abwandten. Da reute Gott das Unheil, das er ihnen angedroht hatte, und er tat es nicht“ (Jona 3,4-5.10). Das wiederum „missfiel Jona ganz und gar und er wurde zornig“ (Jona 4,1). Jona selbst lag scheinbar nichts am Leben der Niniviten. Gottes Liebe zu Ninive aber war so groß, dass er es Jona zumutete, drei Tage und drei Nächte im Bauch eines Walfisches zu verbringen, damit die Menschen von Ninive den Ruf zur Umkehr hören konnten, von ihren bösen Wegen abkehren und so ihr Leben retten. Denn, wie es bei dem Propheten Ezechiel heißt: „Wenn der Schuldige sich von allen Sünden, die er getan hat, abwendet, alle meine Satzungen bewahrt und nach Recht und Gerechtigkeit handelt, wird er bestimmt am Leben bleiben, er wird nicht sterben. Keines seiner Vergehen, die er begangen hat, wird ihm angerechnet. Wegen seiner Gerechtigkeit, die er geübt hat, wird er am Leben bleiben. Habe ich etwa Gefallen am Tod des Schuldigen– Spruch Gottes des Herrn – und nicht vielmehr daran, dass er umkehrt von seinen Wegen und am Leben bleibt?“ Nein, spricht Gott, „Ich habe keinen Gefallen am Tod dessen, der sterben muss –– Spruch Gottes, des Herrn. Kehrt um, damit ihr am Leben bleibt!“ (Ez 18,21-23.32). Gott will nicht den Tod des Sünders, sondern sein Leben. Sünde aber führt in den Tod, denn „der Lohn der Sünde ist der Tod, die Gabe Gottes aber ist das ewige Leben in Christus Jesus, unserem Herrn“ (Röm 6,23). Das kann man schon in diesem Leben beobachten, gilt aber vor allem im Hinblick auf das ewige Leben. Die nicht bereute Sünde schließt von der Teilnahme am ewigen Leben aus, wie Paulus ganz eindeutig im 1. Korintherbrief sagt: „Wisst ihr denn nicht, dass Ungerechte das Reich Gottes nicht erben werden? Täuscht euch nicht! Weder Unzüchtige noch Götzendiener, weder Ehebrecher noch Lustknaben, noch Männer, die mit Männern schlafen (wörtlich! Vgl. Lev 18,22), noch Diebe, noch Habgierige, keine Trinker, keine Lästerer, keine Räuber werden das Reich Gottes erben“ (1 Kor 6:9-10). Gleichermaßen mahnt die Offenbarung des Johannes: „Draußen bleiben die „Hunde“ [Metapher für männliche Prostituierte; vgl. Deut 23.19] und die Zauberer, die Unzüchtigen und die Mörder, die Götzendiener und jeder, der die Lüge liebt und tut“ (Offb 22,15). Die biblische Logik bedarf eigentlich keiner Erklärung. Wenn uns die Tür ins Himmelreich offen stünde, ohne, dass wir unsere Sünde bereuen, dann wäre der Himmel nicht mehr der Himmel, sondern die Hölle; denn dann gäbe es im Himmel weiterhin Haß, Lüge und Betrug. Weil aber „Gott will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen“, hat er nie aufgehört, Propheten zu senden, die uns zur Umkehr rufen (bis hinein in unsere Tage. Man denke nur an den Aufruf zur Umkehr der Muttergottes in Fatima, die dadurch das Unheil des Zweiten Weltkrieges und die Ausbreitung des Kommunismus abwenden wollte).
Was hat dann Jesus Neues gebracht, wenn er, genau wie die alttestamentlichen Propheten zur Umkehr aufruft? Alles ist neu in Jesus Christus, aber das versteht nur, wer, wie das Volk des alten Bundes, schon erfahren hat, dass er aus eigener Kraft nicht fähig ist, die Gebote Gottes zu halten. Paulus bringt diese Erfahrung auf den Punkt, wenn er schreibt: „Ich weiß nämlich, dass in mir, das heißt in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt: Das Wollen ist bei mir vorhanden, aber ich vermag das Gute nicht zu verwirklichen. Denn ich tue nicht das Gute, das ich will, sondern das Böse, das ich nicht will, das vollbringe ich. Wenn ich aber das tue, was ich nicht will, dann bin nicht mehr ich es, der es bewirkt, sondern die in mir wohnende Sünde. Ich stoße also auf das Gesetz, dass in mir das Böse vorhanden ist, obwohl ich das Gute tun will. Denn in meinem Innern freue ich mich am Gesetz Gottes, ich sehe aber ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das mit dem Gesetz meiner Vernunft im Streit liegt und mich gefangen hält im Gesetz der Sünde, das in meinen Gliedern herrscht. Ich elender Mensch! Wer wird mich aus diesem dem Tod verfallenen Leib erretten?“ (Röm 7,18-24). Paulus selbst gibt die Antwort auf seinen Schrei der Verzweiflung: „Dank sei Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn!“ Paulus hat am eigenen Leib erfahren, dass „das Gesetz des Geistes und des Lebens in Christus Jesus“ ihn „frei gemacht hat vom Gesetz der Sünde und des Todes“ (Röm 8,2), wie er dann im achten Kapitel des Römerbriefes darlegt. Jesus ist genau deswegen gekommen: um die Befreiung von der Macht der Sünde durch die Kraft des Heiligen Geistes zu schenken. Sie steht im Herzen seiner Verkündigung, die im Evangelium dieses Sonntags in zwei kurzen Sätzen zusammengefasst ist: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“ (Markus 1:15).
Die Zeit (Kairos) ist erfüllt: Die Zeit des alten Bundes, ja überhaupt die chronologische Zeit ist erfüllt, zu Ende gekommen, weil mit Jesus die Ewigkeit in die Zeit hineingebrochen ist. Das hatte Markus angedeutet in dem Symbol vom Aufreißen des Himmels bei der Taufe Jesu. Gott ist in unsere Zeit eingetreten und damit gibt es in gewisser Weise keine chronologische Zeit mehr, die Gegenwart Jesu erfüllt jetzt alle Zeit. Er und sein Evangelium sind einem jedem Zeitalter zu Zeitgenossen geworden, und insofern wir in Jesus sind, sind auch wir zu Zeitgenossen aller Zeiten geworden. Die Zeit des Wartens ist vorbei, da das Reich Gottes in der Person Jesu selbst in die Geschichte eingetreten ist.
Das Reich Gottes ist nahe: Die Juden zur Zeit Jesu erwarteten die Ankunft einer messianischen Figur, die als König auf die Erde kommen und ein Reich des Friedens herbeiführen würde. Die Vorstellung dieses messianischen Königs war von der Davids Figur und der des Menschensohnes in Daniel 7,13 geprägt. Man erwartete, dass Gott ihm alle Feinde unterwerfen würde, er den Kriegen ein Ende setzen und die Gottesherrschaft auf Erden etablieren würde. Der Leser des Evangeliums, der schon die vorgehenden 14 Verse gelesen hat und bei der Taufe Jesu im Jordan dabei war, als der Vater Jesus als diesen Messias identifizierte (1,11; vgl. Ps 2,7), weiß, dass mit Jesus dieses Reich Gottes schon angebrochen ist. Jesus, der als einziger wirklich weiß, wer er ist und wie nah das Reich Gottes ist, ruft daher mit um so größerer Dringlichkeit auf:
Kehrt um, und glaubt an das Evangelium! Was ist mit dem Wort ‚Evangelium‘ gemeint? Das Wort wurde in der damaligen Zeit von den griechischen Königen und römischen Kaisern verwandt, wenn sie eine „frohe Botschaft“, die das ganze Reich betraf, zu verkünden hatten. Meistens handelte es sich um einen entscheidenden Sieg in einer Schlacht. In diesem Fall wurde der Sieg als „frohe Botschaft“ im ganzen Reich verkündet, da er das Königtum/Kaisertum des Herrschers befestigt hatte. Die griechische Übersetzung des Alten Testamentes hat diesen Ausdruck übernommen. Sie verkündigt jedoch einen viel entscheidenderen Sieg. Da heißt es bei Jesaja 52,8 „Wie willkommen sind auf den Bergen die Schritte des Freudenboten (euaggelizomenou, wörtlich: ‚des Evangelisierenden‘), der Frieden ankündigt, der eine frohe Botschaft bringt (euaggelizomenos) und Heil verheißt, der zu Zion sagt: ‚Dein Gott ist König‘!“ Evangelium, im Sinne des Alten und damit auch des Neuen Testamentes, ist die Nachricht, dass Gott König ist. Damit ist ausgesagt, dass Gott den Feind des Gottesvolkes besiegt und das Volk befreit hat.
Während im Alten Testament der Sieg immer menschliche Feinde betraf (im Kontext von Jesaja die Babylonier), verkündet Jesus einen ganz anderen Sieg, wenn er das „Evangelium vom Reich Gottes verkündet“. Es ist der Sieg des Sohnes Gottes über den eigentlichen Feind des Menschen, nämlich den Satan. Seinen Versuchungen hatte sich Jesus nach seiner Taufe im Jordan, da er mit dem Heiligen Geist gesalbt wurde, während der vierzig Tage in der Wüste ausgesetzt und war aus diesem Zweikampf siegreich hervorgegangen (vgl. 1,13). Jesus selbst ist der gesalbte (d.h. messianische) König, durch dessen Sieg über Sünde, Tod und Teufel das Reich Gottes in die Welt hereingebrochen ist und das nun allen offen steht, die bereit sind, umzukehren und seine Vergebung zu empfangen. Dies ist die Botschaft, mit der Jesus sein öffentliches Wirken beginnt und die er durch alles, was jetzt folgt, beweisen wird. Überall wo er hinkommt, treibt er Dämonen aus, heilt Krankheiten, ruft Menschen zur Umkehr und vergibt ihre Sünden. Tatsächlich herbeiführen wird er das Reich jedoch durch das Pascha seines Todes und seiner Auferstehung. In seinem Tod am Kreuz wird der Messias sein Leben als Lösegeld für unsere Sünden hingeben (Mark 10,45; vgl. Jes 53), und in seiner Auferstehung Tod und Teufel endgültig besiegen. In seiner Himmelfahrt wird er zur Rechten der Macht Gottes Platz nehmen und durch die Sendung des Heiligen Geistes, sein Reich auf Erden durch seine Kirche errichten. Dieser Ruf zur Umkehr, war Gott sogar den Aufenthalt seines Sohnes für drei Tage im Bauch der Erde wert. Für uns, die wir zu Jesus gehören, kommt das Reich Gottes seit dem Letzten Abendmahl in der Eucharistie; es ist mitten unter uns. In Herrlichkeit wird es allerdings erst dann kommen, wenn Christus wieder kommt und dieses Reich dem Vater übergeben wird (siehe KKK 2816).
Im Wissen um diese Gegenwart des Reiches Gottes mitten unter uns, und der Vergänglichkeit dieser Welt, mahnt uns Paulus deshalb in der zweiten Lesung, uns bewusst zu machen, dass die Zeit kurz ist. Christus wird wiederkommen und sein ewiges Reich des Friedens zu allen Menschen bringen. In Anbetracht dieser Verheißung sind die 70-80 Jahre, die uns laut Psalm 90, hier auf Erden zugemessen sind, tatsächlich nicht sehr lang (selbst wenn es heute schon sehr oft 90-100 Jahre sind). Tatsächlich ist unser jetziges Leben so lang wie ein Wimpernschlag im Vergleich zur Ewigkeit. Aus diesem Grund, und weil das, was uns erwartet, so glorreich ist, sagt uns das Wort Gottes durch Paulus, dass wir unser Herz nicht an diese Welt hängen sollen. Sicher, wir sollen alles mit Dankbarkeit genießen (vgl. 1 Tim 4,4), aber wir dürfen nicht unser Herz daran verlieren, „denn die Gestalt dieser Welt vergeht“ (1 Kor 7,31). Alles aber, was auf dieser Welt gut und heilig ist, wird uns in die Ewigkeit begleiten und dort in Christus neu geschenkt werden. In der Zwischenzeit aber müssen wir uns mit allen Kräften bemühen, durch die enge Tür zu gehen, denn die Tür, die ins Verderben führt, ist breit. Jesus ruft uns nicht zum Scherz zur Umkehr auf. Er allein weiß, was auf dem Spiel steht und dass tatsächlich nur ein Leben nach seinem Wort den Weg ins ewige Leben weist. Denn Himmel und Erde werden vergehen, aber seine Worte werden nicht vergehen (Mark 13:31). Wer indessen Gott nicht kennt, ihn jedoch „aufrichtigen Herzens sucht und seinen durch den Anruf des Gewissens erkannten Willen unter dem Einfluss der Gnade in den Taten zu erfüllen sucht, kann das ewige Heil erlangen (Lumen Gentium 16; KKK 846-848). Da jedoch das Gewissen vieler Menschen durch den Zeitgeist verdunkelt ist, ist es die hervorragende Mission, den Menschen das Wort Gottes als sicheren Weg des Heils zu verkünden, und den Ruf Jesu zur Umkehr in die die Welt zu tragen.